Gastkommentar in der Beilage Wirtschaft Regional vom 23.8.2024
Die Sommerpause ist vorbei. Die nächsten Landtagswahlen rücken rasch näher und tröpfchenweise werden uns Kandidatinnen und Kandidaten für Regierung und Landtag bekannt gegeben. Das täuscht darüber hinweg, dass die Suche nach Politikerinnen und Politikern immer schwieriger wird. Alle zwei Jahre ist es eine riesige Herausforderung, genügend Personen für eine Kandidatur zu motivieren, wobei die Wahllisten mittlerweile auch von den Grossparteien nicht mehr gefüllt werden. Analog zur Wirtschaft kann man von einem politischen Fachkräftemangel sprechen.
Hier endet jedoch auch schon die Parallele zur Wirtschaft. Während in der Wirtschaft um jedes freiliegende Arbeitskräftepotenzial gerungen wird, leistet man sich in der Politik den Verzicht auf eine grosse Bevölkerungsgruppe. Ich spreche von denjenigen Personen, die in Liechtenstein leben, arbeiten und Steuern bezahlen, die aber die liechtensteinische Staatsbürgerschaft nicht besitzen. Es handelt sich hierbei um ein Drittel der Bevölkerung im wahlfähigen Alter.
Unser Wirtschaftsstandort rühmt sich der internationalen Ausrichtung und der Erfolg reichen Integration in den EWR und in die Zoll- und Währungsunion mit der Schweiz. Es ist notwendig und für alle akzeptiert, dass 57 Prozent der Beschäftigten im benachbarten Ausland wohnen und zur Arbeit zu uns pendeln. Wir sind froh über die ausländischen Lehrpersonen, Pflegefachkräfte, Lehrlinge, Richterinnen und Richter – um nur ein paar Beispiele zu nennen –, die sich in unsere Arbeitswelt ein bringen. Hier zeigen wir uns weltoffen und pragmatisch.
In der Politik wird das Potenzial der im Land lebenden Ausländerinnen und Ausländer jedoch nicht genutzt. Sie haben keinerlei Stimm- und Wahlrecht. Die erforderliche Einbürgerung wiederum ist nicht einfach zu haben: Im internationalen Vergleich lange Fristen sowie die Ablehnung der doppelten Staatsbürgerschaft erschweren diesen Schritt. Die fehlende politische Teilhabe ist deshalb so störend, weil Ausländerinnen und Ausländer von den politischen Entscheidungen genauso betroffen sind. Wenn Politikerinnen und Politiker eine Sache «vors Volk» bringen, können sie nur zuschauen. Und mitbezahlen!
In einem Kooperationsprojekt haben «Vielfalt in der Politik» und der Verein für Menschenrechte sich der politischen Partizipation von Ausländerinnen und Ausländern angenommen. Aus unserer Sicht ist es zur Stärkung der Demokratie und für eine gelingende Integration dringend nötig, an diesem Tabu zu rütteln.
Die politische Mitbestimmung auf Gemeindeebene wäre beispielsweise ein erster Schritt. Das kommunale Wahlrecht gilt in allen Ländern der EU, und auch in der Schweiz haben es schon über 600 Gemeinden eingeführt. Die Erfahrungen in unserem Nachbarland sind positiv, wenngleich eine aktuelle Studie aus der Romandie zeigt, dass die stimmberechtigten Ausländerinnen und Ausländer nicht in grosser Zahl an Abstimmungen teilnehmen. Es wäre jedoch ein wichtiges Signal an diese Bevölkerungsgruppe, dass sie dazugehören und eingeladen sind, an der Gestaltung unseres Landes mitzuwirken. Auch in der Politik können wir uns keinen Fachkräftemangel leisten.
Andrea Hoch
Projektleiterin «Vielfalt in der Politik»
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